Das Fazit schon vorab:
Es lohnt sich, unabhängig von der Grösse und Art des Unternehmens über die Werte und
Grundsätze der eigenen Unternehmenskommunikation nachzudenken. Werte sind kein „nice to
have“, sondern vielmehr ein Schlüssel zur Effizienz. Und ein wohltuender Kontrast in einer Welt der Beliebigkeit und populistischen Verblendung.
Impulse zur Kommunikationseffizienz in schwierigen Zeiten
Professionelle Kommunikation wird immer schwieriger. Zum einen verschärfen sich die
Rahmenbedingungen in der globalen, schnelllebigen Kommunikationsgesellschaft weiter und erhöhen auch den Leistungsdruck auf Kommunikationsmanager in Unternehmen. Zum anderen beeinflussen Populisten im sogenannten „postfaktischen“ Zeitalter nicht nur die öffentliche
Meinungsbildung, sondern auch die etablierten Kommunikationsbeziehungen in der Gesellschaft.
Hinzu kommt die automatisierte Meinungsbeeinflussung etwa durch Social Bots. Das betrifft Grosskonzerne ebenso wie
mittelständische Unternehmen und Organisationen. Wie aber finden Unternehmen Gehör mit ihren Botschaften, wie finden sie Akzeptanz und Vertrauen für ihre Anliegen, wenn Gefühle und Irrationalität Argumente dominieren?
Die Unternehmenskommunikation findet heute zu einem grossen Teil in einem Umfeld statt, in dem viel mehr und viel intensiver als früher kommuniziert wird, vor allem in den Sozialen Medien. Dabei geht es aber kaum noch um Austausch und Dialog, sondern um Anerkennung unter Gleichgesinnten. Kommunikation als Identitätsfindung.
Unter diesen Umständen haben es Kommunikationsmanager schwer, ihren geschäfts- und
unternehmenspolitischen Auftrag effizient umzusetzen.
Ein wirkungsvolles Instrument für hohe Kommunikationseffizienz unter diesen schwierigen
Bedingungen ist werteorientierte Kommunikation. Das mag verwundern angesichts der
offensichtlichen Ignoranz klassischer Werte, die wir in den aufgeheizten politischen und
gesellschaftlichen Debatten erleben. Im Kommunikationsmanagement von Unternehmen sind
verbindliche Werte und Prinzipien aber nicht zu unterschätzende strategische Erfolgsfaktoren, die
massgeblich zur Glaubwürdigkeit und Effizienz im Kommunikationsmanagement beitragen können.
Sie sind ein Grundpfeiler des sogenannten Organisationsvertrauens, das heisst, des öffentlichen
Vertrauens in Unternehmen. Das funktioniert anders als das öffentliche Vertrauen in Einzelpersonen („Personenvertrauen“) und in die Politik („Systemvertrauen“). Ein Unterschied liegt zum Beispiel darin, dass auf professioneller Ebene in der Regel andere Standards und mehr Verantwortung erwartet werden. Regel- oder Werteverstösse im Kommunikationsmanagement von Unternehmen führten rasch zum Vertrauensverlust, umgekehrt kann man mit der spürbaren Orientierung an verbindlichen Werten Kommunikationsbeziehungen positiv gestalten.
Um welche Werte geht es und wie wirken sie in der Praxis? Das kann man am Beispiel des Glaubwürdigkeitsprinzips verdeutlichen. Hierbei handelt es sich um ein Leitbild für wirkungsvolle
Kommunikation, das aus zehn Werten und Prinzipien besteht: Im Zentrum stehen die
Werte Ehrlichkeit, Transparenz und Authentizität. Hinzu kommen Mut, Fairness und Respekt,
Berechenbarkeit, Souveränität, Verantwortungsbewusstsein, Sinn für das rechte Mass und
Professionalität (im Sinne konzeptionell-strategischer Exzellenz).
Diese Werte zahlen sich in der Praxis aus und sichern eine hohe Kommunikationswirkung unter heiklen Bedingungen
Ehrlichkeit und Transparenz:
Im persönlichen Umgang der Menschen mögen Ehrlichkeit und
Transparenz ambivalente Werte sein, für die Unternehmenskommunikation sind sie jedoch
Pflicht. Sie ermöglichen den Kommunikationspartnern des Unternehmens, beispielsweise
Kunden, Medien, interessierter Öffentlichkeit, die richtige Einordnung und Bewertung von
Informationen und sorgen so für Orientierung und Berechenbarkeit. Das ist ein klarer
Nutzenvorteil in einer immer unüberschaubareren Welt. Ehrlich und transparent zu
kommunizieren bedeutet für Unternehmen einen Aufwand, nämlich Zusammenhänge zu
erklären, Fakten und Positionen richtig zu vermitteln. Das zahlt sich aber vor allem in kritischen
Situationen aus, etwa in Krisen oder bei schwierigen Unternehmensentscheidungen.
Eskalationen lassen sich dann nämlich leichter verhindern und das Vertrauen wird stabilisiert.
Dagegen führen Unehrlichkeit oder bewusste Intransparenz, beispielsweise durch Salamitaktik
in der Krisenkommunikation erfahrungsgemäss immer zu einem zusätzlichen Erklärungs- und
Rechtfertigungsaufwand, der auch Mehrkosten bedeutet. Und der Vertrauensverlust durch
unehrliche, intransparente Kommunikation schadet auch der Reputation und kann den
Unternehmenswert negativ beeinflussen. Jetzt könnte man einwenden: Wenn Fakten in den
Social Networks von Facebook & Co nicht mehr zählen, dann zählen auch „ehrliche Fakten“
nicht. Das gilt für Unternehmen jedoch nicht. Sie müssen mit ihrer Kommunikation eine
verbindliche, wahrheitsgemässe Referenzgrundlage für den Dialog mit ihren Zielgruppen
schaffen. Fakten und Positionen, Marken- und Leistungsversprechen der
Unternehmenskommunikation haben einen verbindlichen Charakter. Kommunikationspartner
können sich darauf berufen. Das macht das Unternehmen berechenbar. Wenn diese Grundlage
fehlt, wird Kommunikation beliebig und unglaubwürdig.
Authentizität: Im gesellschaftlichen Dialog, vor allem in den Sozialen Medien, fragen sich viele
Menschen: Wem kann ich überhaupt noch trauen? Authentische Kommunikation hat den
grossen Vorteil, dass sie Diskrepanzen und Unstimmigkeiten im Auftritt weitgehend verhindert –
und damit den Anlass für Misstrauen. Gerade weil die Menschen heute die Interessenlage von
Unternehmen und Managern zwischen Informationen und Meinungen nur noch schwer
erkennen und einordnen können, ist es hilfreich, sich durch authentische
Unternehmenskommunikation berechenbar zu machen. Authentizität kann man u.a. durch ein
leitbildkonformes Verhalten bzw. einen Kommunikationsstil, der zum Unternehmensleitbild
passt, erreichen. Das schafft Nähe und verstärkt die Beziehungen zu den Stakeholdern.
Mut: Kommunikationsmanagement ist heute oftmals eine „unbequeme“ Aufgabe. Wie gut sie
funktioniert, beweist sich besonders bei der Bewältigung von Konflikten, also immer dann, wenn
Interessen einzelner Stakeholder und Unternehmensinteressen gegeneinander laufen. Das ist
zum Beispiel bei grossen Veränderungsprozessen der Fall. Mutige Kommunikation bedeutet
dann u.a., im Interesse einer guten Konfliktlösung ein persönliches Risiko einzugehen, etwa das
Risiko einer (kurzzeitigen) Ablehnung oder eines Ansehensverlustes bei einzelnen Parteien.
Kommunikationsziele lassen sich oft nur mit Mut erreichen, während fehlender Mut
Kommunikation wirkungslos macht.
Fairness und Respekt: Diese Werte sind im gesellschaftlichen Dialog weitgehend abhanden
gekommen. Sie werden nicht unbedingt erwidert, aber positiv bewertet. Die faire und
respektvolle Kommunikation von Unternehmen mit ihren Stakeholdern steht im Kontrast zur
Verrohung des Umgangstons, die wir an vielen Stellen im gesellschaftlichen Diskurs finden.
Beide Werte tragen so zu einem differenzierten, positiven Unternehmensprofil bei.
Ob man sich am Glaubwürdigkeitsprinzip, am Deutschen Kommunikationskodex, an einem
spezifischen Unternehmenskodex oder an einem individuellen Wertekanon orientiert, ist übrigens
zweitrangig. Entscheidend ist, dass die konsequente Reflexion und die bewusste Berücksichtigung
der Prinzipien und Werte in der Praxis überhaupt stattfinden. Neben den sachlichen und
unternehmenspolitischen Kriterien sollten diese Prinzipien Basis aller strategischen und operativen
Kommunikationsentscheidungen sein. Werteorientierte Kommunikation hat einen doppelten Nutzen. Sie wirkt nach aussen und nach innen.
Nach aussen hin unterstützt sie die Differenzierung im Wettbewerb unter den ungünstigen
Rahmenbedingungen der unberechenbaren, oft irrational agierenden Kommunikationsgesellschaft.
Kommunikationsziele lassen sich besser erreichen und der Handlungsspielraum des Managements
wird gesichert. Nach innen bringt werteorientierte Kommunikation u.a. mehr Entscheidungssicherheit und schärft die Aufmerksamkeit für den Bedarf und die Erwartungen der Stakeholder. Dadurch versäumt man notwendige kommunikative Weichenstellungen nicht und wird auch nicht so leicht von Krisen oder kritischen Entwicklungen überrollt.
Quelle: Digitalisierung • 2016 • von Dr. Wolfgang Griepentrog
© AndreyPopov/iStock/Thinkstock, 2016